3.3 Arabischer Frühling in Ägypten

Unter dem Begriff „Arabischer Frühling“ wird allgemein eine Vielzahl an revolutionären Vorgängen, von vereinzelten Protesten über Massendemonstrationen bis hin zu Regimestürzen, im Nahen Osten und in Nordafrika zusammengefasst. Die hier vorliegende Fallstudie konzentriert sich im Wesentlichen auf einen Ausschnitt dieser vielschichtigen, ineinander verschachtelten und sich aufeinander beziehenden Geschehnisse, nämlich auf die Revolution in Ägypten und daran angrenzend, die Revolution in Tunesien. Oft wurden diese in unmittelbaren Zusammenhang mit den Kommunikationsmöglichkeiten des Internets, insbesondere der sozialen Netzwerke gestellt. Der Einfluss sogenannter Web-2.0-Dienste, maßgeblich von Blogs, Facebook und Twitter, erhielt in einer Vielzahl von Publikationen einen enorm hohen Stellenwert, sodass die Wortneuschöpfung Revolution 2.0 im Nachgang an die revolutionären Veränderungen in Tunesien und Ägypten zu einem geflügelten Wort wurde. Im Sinne der Tsunami-Betrachtung wird hier besonderes Augenmerk auf die vielfältigen Vorbedingungen der angeblichen Revolution 2.0, ihre archetypischen Protagonisten, den Medienkontext und die Funktionsweise von (Internet-)Inhalten als eigens für revolutionäre Zwecke formatierte Geschichten gelegt.

Klimafaktoren: Sozioökonomischer, politischer und kultureller Kontext

Für eine Betrachtung der Rolle von sozialen Medien und deren Gewichtung innerhalb politischer Prozesse scheint es zunächst einmal unerlässlich, den kulturellen, sozioökonomischen und politischen Kontext zu betrachten, in den die einzelnen Fälle jeweils zu verorten sind, da selbiger Aufschluss über die maßgeblichen Vorbedingungen für Massenmobilisierungen über Soziale-Netzwerk-Strukturen gibt. Diese sollen im Folgenden kurz skizziert werden.

Gerade im Fall Ägyptens ist voranzustellen, dass es sich hier um ein autokratisches Regime handelte, in dem oppositionelle Strömungen, freie Meinungsäußerung und gerade politische Willensbekundung massiv unterdrückt wurden. Die staatlichen Repressionen machten in diesem Zusammenhang auch vor willkürlicher Inhaftierung und Folter keinen Halt. In einem solchen Kontext erfahren die sog. Neuen Medien eine ganz andere Gewichtung als in demokratischen Systemen. Für eine Revolution in Ägypten entscheidende Faktoren sind – fern ab mangelnder politischer Partizipationsmöglichkeiten – vor allem Armut, Inflation der Lebensmittelpreise und ein extrem niedriger Lebensstandard für das Gros der Bevölkerung zu nennen. Am deutlichsten wird das von Korruption begünstigte Auseinandergehen der sozialen Schere am Beispiel der extremen Lohnungerechtigkeit. Im  Rahmen der Interviews wurde folgender Vergleich aufgemacht.[1] Im vorrevolutionären Ägypten soll ein Angestellter der städtischen Entsorgungsunternehmen ca. 120 Ägyptische Pfund im Monat verdient haben. Im Gegensatz zu einem ungelernten Arbeiter soll ein Spezialist, zum Beispiel ein Arzt, ca. 750 Pfund verdient haben und musste zudem alle zusätzlichen Ausgaben, die für seine Arbeit unerlässlich sind, wie Auto, Mobiltelefon oder Spesen, selbst tragen. Die Wohnungskosten in Kairo betrugen allein mindestens 500 Pfund, um einen Vergleichswert zu nennen. Ein dem Regime nahe stehender Universitätsprofessor soll dagegen ca. 700.000 Pfund monatlich verdient haben, Dienstwagen, Mobiltelefon und Spesen extra.[2] Für die Minderheit bedeutete dies also einen unverhältnismäßigen Reichtum, während ein Fünftel der Bevölkerung unter einer Armut zu leiden hatte, die bis zum Entzug der Lebensgrundlage, also zur Bedrohung der puren Existenz führen konnte.[3] Hinzu kommt eine Analphabetenquote von 29 %, also einem knappen Drittel der Gesamtbevölkerung, welche ein Durchschnittsalter von 24 Jahren aufweist.[4] Es ist weiter anzumerken, dass es für die männlichen Familienoberhäupter im hier betrachteten Kulturkreis eine große Schande bedeutet, wenn sie der Verpflichtung, ihre Familien ausreichend zu versorgen, nicht mehr nachkommen können.[5]  Und das nicht aus eigenem Verschulden, sondern aus einer dem politischen System inhärenten, etablierten Ungerechtigkeit.

Die Komposition aus solch fatalen, hoffnungslosen Lebensumständen hinsichtlich der reinen Versorgungssituation, die zusätzliche, kulturell bedingte Aufladung der privaten Situation mit einem psychologischen Moment der Selbstgeringschätzung und das Fehlen jeglicher politischer Freiheiten, die einen Veränderungsprozess hätten anstoßen können, sowie die systematische Unterdrückung der Regierung begleitet von massiven Menschenrechtsverletzungen, bildeten zuvorderst die Grundvoraussetzungen nicht nur für die ägyptische Revolution, sondern für nahezu sämtliche Proteste, Aufstände oder Revolutionen in der arabischen Welt [6], für die sich hierzulande der Sammelbegriff Arabischer Frühling [7] durchgesetzt hat.

Klimafaktoren: Staatlich kontrollierte Medien, existierende Blogger-Opposition und Vernetzung

Zudem entwickelte sich eine vernetzte Austauschkultur in den arabischen Ländern im Internet auf Basis von Informationstechnologie als Gegenöffentlichkeit zu den staatlich kontrollierten Medien nicht etwa erst im Prozess der Revolution – mit dem eine hohe Durchdringung der ausländischen Massenmedien einherging – sondern weitaus früher. So wurde zum Beispiel in Tunesien bereits 1998 ein sog. Cyber-Think-Tank mit Namen Takriz gegründet, deren Mitglieder sich Takrizards oder Taks nannten und überwiegend über das Internet kommunizierten, wie in einem am 28.10.2011 veröffentlichten Artikel in der Technology Review [8] erläutert wird. Dort heißt es weiter: „Die Freiheit im jungen Medium Internet war nur von kurzer Dauer: Im August 2000 wurde die Takriz-Website innerhalb Tunesiens von der Regierung gesperrt. Doch andere Angebote schlossen die Lücke. Ein Kern-Tak namens SuX startete das erste arabisch-afrikanische soziale Netzwerk, genannt SuXydelik. Und Zouhair Yahayaoui, damals ein Tak in den Dreißigern mit dem Online-Namen ‚Ettounsi‘ – der Tunesier – gründete das satirische Webmagazin TuneZine.“ Dieses Beispiel soll verdeutlichen, wie früh sich bereits eine gut ausgebildete, technologisch affine Gruppe junger, vom politischen System enttäuschter Menschen dem Internet als Kommunikations- und Vernetzungswerkzeug über die Ländergrenzen hinweg bediente, als Voraussetzung für den Arabischen Frühling im allgemeinen und Ägypten im speziellen.

Hinzu kommt ein zum größten Teil kontrolliertes bzw. der Regierung gegenüber unkritisches Mediensystem, das auch gezielt zu Desinformation und Manipulation der öffentlichen Meinung genutzt wurde. Ein populäres Beispiel dafür ist die schon als dreist zu bezeichnende Bildmanipulation der ägyptischen Zeitung Al-Ahram geworden, eine sich „mehrheitlich in Staatsbesitz befindliche und vom Informationsministerium kontrollierte Zeitung“[9], die zugleich die auflagenstärkste [10] in Ägypten sein soll. Diese soll eine Fotografie zum Auftakt der Nahost-Friedensgespräche in Washington vom 01. September 2010 verarbeitet haben, auf der zu sehen war, wie Husni Mubarak die Gruppe der teilnehmenden Staatsoberhäupter (Barack Obama, Benjamin Netanjahu, Mahmud Abbas, König Abdullah) beim Gang durch das Weiße Haus anführt.

Abbildung 3‑10: Bildfälschung: Mubarak, der vorgeschobene Präsident [11]

Die Originalfotografie, auf der US-Präsident Barack Obama die Gruppe anführt, stammte von der Internetseite gettyimages (http://www.gettyimages.com/) der gleichnamigen US-amerikanischen Bildagentur. Im Zuge der Bildbearbeitung wurde Mubarak von hinten links in der Originalfotografie gespiegelt an die Spitze der Staatsmänner versetzt.

Abbildung 3‑11: Bildfälschung: Originalfoto [12]

Die Entdeckung der Bildfälschung wird dem ägyptischen Blogger Wael Khalil zugesprochen [13]. Tatsächlich ist auf dessen Blog eine Bilderstrecke zu sehen, die die besagte Bildmanipulation auf der Website von Al Ahram sowie der dazugehörigen Printausgabe im Gegensatz zur Originalfotografie dokumentieren [14]. Noha Atef merkte bezüglich dieses Vorfalls im Zuge ihres Vortrags auf der re:publica X [15] an, dass der amerikanische Fernsehsender Cable News Network (CNN) den Blogger kontaktiert und anschließend über den Fall berichtet habe. Auf der offiziellen Website des Fernsehsenders findet sich ein mittlerweile aktualisierter Artikel vom 17. September 2010, der die Bildmanipulation aufgreift und sich dabei auf Wael Khalil als Entdecker der Manipulation bezieht.[16] Der Blogger übernahm in diesem Zusammenhang also eine wichtige Korrektivfunktion innerhalb einer staatlich kontrollierten Medienlandschaft. Wenn man die oben angeführte Analphabetenquote von 29 % der Bevölkerung betrachtet, darf die Rolle bildlicher Darstellung als Mittel zur Machtstabilisierung nicht unterschätzt werden. Im weiteren Verlauf wird noch näher auf den Zusammenhang von Bild- und Videoinhalten hinsichtlich ihrer Instrumentalisierung und Wirkung in sozialen Netzwerken eingegangen werden.

Wael Khalil steht exemplarisch für eine Vielzahl von Internetaktivisten, denen eine entscheidende Rolle innerhalb der Revolutionen in der arabischen Welt zugesprochen wird. In diversen Studien, journalistischen Artikeln und den im Rahmen der hier vorliegenden Studie geführten Interviews zur ägyptischen Revolution tauchen eine Vielzahl von Namen sog. Internetaktivisten (alternativ auch Blogger oder Cyber-Dissidenten genannt) auf, wie oben genannter Wael Khalil, aber auch Wael Abbas, Alaa Abd El-Fattah, Mahmoud Salem oder Wael Ghonim. An dieser Stelle kommt es jedoch nicht darauf an, diese sukzessive aufzuführen. In dem hier zu untersuchenden Zusammenhang interessieren vielmehr die Charakteristika dieser für die Umstürze anscheinend so wichtigen Persönlichkeiten, verstanden als Archetypen. Wenn man sich mit der Vita dieser Personen auseinandersetzt, stößt man auf erstaunliche Ähnlichkeiten. Alle hier Benannten sind mit modernen Kommunikationstechnologien hinsichtlich Aufbau, Organisation und Publikation bestens vertraut. Khalil ist wie auch El-Fattah Software-Entwickler, Ghonim technischer Informatiker, Salem Experte für Kampagnen und Abbas ein in der Anwendung von Internetkommunikationstechnologie versierter Journalist und Menschenrechtsaktivist. Sie alle sind mindestens zweisprachig, weltweit on- wie offline hervorragend vernetzt und verfügen zudem über Kontakte zu Journalisten diverser Medienanstalten in der westlichen Hemisphäre. Populäre Beispiele sind Wael Ghonim oder Mahmoud Salem, der in den USA ein Studium in Business Administration abgeschlossen hat und im Internet unter dem Pseudonym „Sandmonkey“ publiziert. Sein Blog „Ratings of a Sandmonkey“ (http://www.sandmonkey.org/) gehört zum meistgelesenen in der arabischen Welt. Wael Ghonim hingegen ist beim Konzern Google Inc. In leitender Funktion beschäftigt und gründete zudem 2005 eines der führenden Finanzportale im arabischen Raum.[17] Sein Wohnsitz ist in Dubai [18], wo sich gleichzeitig der Firmensitz von Google Inc. befindet. Dubai selbst ist einer der weltweiten Knotenpunkte internationalen Austauschs.[19] Interessanterweise scheint auch das Mubarak-Regime einen Anteil an der Herausbildung einer solchen Elite [20] gehabt zu haben. Im Rahmen eines Programms unter Regierungsbeteiligung [21], den technologischen Fortschritt in Ägypten zu beschleunigen und Attraktivität für ausländische Investoren und Unternehmer zu generieren, wurde bereits 2003 in der Nähe von Kairo das sog. Smart Village eröffnet, der wohl bis dato größte Technologiepark Nordafrikas mit einer geplanten Beschäftigung von 25.000 – 30.000 Mitarbeitern und einer Bürokapazität von 336.000 qm², als ein „konkurrenzfähiges Zentrum von hoher Qualität in den Bereichen Informationstechnologie und Telekommunikation“[22] in dem sich über 120 Technologieunternehmen ansiedelten, darunter auch Schwergewichte wie Microsoft, Oracle und Hewlett-Packard.[23] Es ist zu vermuten, dass es an solchen Orten auch zu einem lebhaften Austausch hinsichtlich politischer Vorstellungen kommt.

Dies alles sei vorangestellt, um zu verdeutlichen, dass es sich hinsichtlich der Benutzung sozialer Medien für die Organisation von Widerstand gegen Regimes einhergehend mit einer Massenmobilisierung auf der Straße in Ägypten nicht um ein Phänomen handelte, in dem die Breite der Bevölkerung sich über das Netz organisierte. Dies geschieht meist nur im Nachgang. Die dazu entscheidende Vorarbeit wurde von einer Spitze geleistet, die über ein tiefgehendes technologisches Know-how und die für gezielten Aktivismus im Internet nötigen Ressourcen verfügt, im Inland wie im Ausland und die bis in den Westen hinein bestens vernetzt ist, nicht nur online sondern auch offline, meist akademisch gebildet und die oft zu der Berufsgruppe des freien Unternehmers gehört. Diese Gruppe ebnete zunächst den „digitalen Weg“ und bildete Knotenpunkte im Internet, über die dann gezielt gegen das bestehende System agitiert werden konnte. Für die Aufbereitung der Inhalte hinsichtlich einer möglichst intensiven Wirkung ist ebenfalls ein tiefes, meist journalistisches Wissen nötig. Bezogen auf die oben angeführten sozioökonomischen Verhältnisse verwundert es nicht, dass es sich in Ägypten nicht um eine „Digitale Revolution“ in der Horizontalen handelte, sondern eben eine in der Vertikalen. Innerhalb der Interviews (siehe 2.2) wurde die Meinung vertreten, dass weder Facebook noch Twitter sondern die Blogger-Netzwerke entscheidenden Anteil an der Revolution in Ägypten hatten. Diese sollen bereits ab 2004 sehr präsent in den arabischen Ländern gewesen sein und fokussierten sich insbesondere auf politisch tabuisierte Themen, über die sonst nirgends berichtet wurde. Damit ist im Speziellen Folter, Inhaftierung, Unterdrückung von staatlicher Seite, Missachtung der Menschenrechte und Korruption gemeint. Besonders die Verbreitung und Sichtbarkeit von Berichten rund um Foltermethoden in Gefängnissen scheinen eine wichtige Rolle gespielt zu haben. Zunächst sollen die Autoren der einzelnen Blogs anonym aus Angst vor staatlichen Repressionen publiziert, dann jedoch zu ihren richtigen Namen gewechselt haben, um eine höhere Verbindlichkeit zwischen ihnen und den Lesern herzustellen.[24] Neben der Publikation ging es auch um den gezielten Aufbau digitaler Infrastrukturen im eigenen Land. So sollen die Blogger auch intensiv zum Einrichten weiterer Blogs aufgerufen und ermutigt und sogar Hilfestellung bei der technischen Einrichtung geboten haben.[25] Auch ausländische Stiftungen boten hier Unterstützung, wie etwa die Friedrich-Naumann-Stiftung, die in Kairo einen Workshop abhielt, „der 30 ägyptische Menschenrechtsaktivisten und Mitglieder liberaler politischer Parteien in die für sie neuartige Welt des Bloggens einführte“[26]. Die staatliche Repression und die fehlenden politischen Freiheiten wie das Recht auf freie Rede und Versammlungsfreiheit führten dazu, dass Blogs nicht nur für die Organisation von Widerständen gegen das Regime an Wichtigkeit gewannen, sondern zunächst als Ventil und Kompensationsmöglichkeit für eine junge Generation, die weitestgehend in apolitische und apathische Zustände gezwungen worden war. So bemerkt auch Noha Atef, dass bereits ab 2001 eine Tendenz in der Hinwendung zu Online-Kommunikationsmedien zu verzeichnen ist, als Form der Realitätskompensation im Virtuellen.[27]

Im Rahmen der Interviews wurde auf die Vernetzungsdichte der arabischen Blogger untereinander sowie international aufmerksam gemacht. Einer der Knotenpunkte für die internationale Vernetzung ist die Plattform GlobalVoices [28], als eine weltweite Community sogenannter Bürgerjournalisten, die aus ihren jeweiligen Ländern heraus über Missstände berichten. Nach Schätzung eines der Interviewten [29] sind 80 % aller wichtigen arabischen Blogger hier registriert. Als einen ebenfalls ausschlaggebenden Faktor wurde oft die Vernetzung und der Informationsaustausch mit Emigranten genannt, die als Exilanten aus den Ländern heraus operieren, in die sie immigriert sind und dort neue Netzwerke aufbauten, um internationalen Druck zu erzeugen.[30] Da ein Großteil der benannten Blogger auch auf Englisch oder Französisch publizierten, bedienten sich die internationalen Medien dieser als Informanten, wie in dem obigen Beispiel der Bildmanipulation gezeigt wurde. Dadurch wurde auch im weiteren Verlauf der ägyptischen Revolution eine konstante Durchdringung der internationalen Medien bewerkstelligt, da Informationen ohne Sprachbarriere schnell übermittelt werden konnten. Der Mechanismus ist hier also auch nach außen gerichtet: Blogger-Netzwerke geben Informationen über das Leben und die Situation der ägyptischen Bevölkerung, Methoden staatlicher Repression, Korruption der Regierung und Methoden selbiger im Umgang mit Oppositionellen an die internationale Presse weiter, um für Transparenz zu sorgen. Diese berichtet wiederum darüber und informiert die Weltöffentlichkeit über die herrschenden Verhältnisse in den einzelnen Ländern, insbesondere über die Brutalität der Regime gegen die eigene Bevölkerung, was eine Solidarisierung der westlichen Bevölkerung nach sich ziehen kann und damit einhergehend die Forderung nach politischer Intervention. Neben der inländischen Bevölkerung sind die Zielgruppen der Blogger also vor allem Exilanten, ausländische Journalisten, Blogger des arabischen Raums, internationale Blogger und die internationale Bevölkerung. Die Blogger-Netzwerke sorgen also in erster Linie für Information und Meinungsbildung außerhalb der Propaganda der staatlich kontrollierten Medien und bemühen sich gleichzeitig um Transferleistungen zu internationalen Medien.[31] Dies kann funktionieren, da Blogger den Vorteil gegenüber inländischen Journalisten genießen, nicht einer wie auch immer gearteten Zensur durch Redaktionen zu unterliegen. Im Gegenzug sehen sie sich Repressalien oder sogar strikten Sanktionierungen der Regierung ausgesetzt, die bis zu Inhaftierung und Folter führen kann. Der Gründer der weiter oben erwähnten tunesischen Website TUNeZINE [32], der nur unter seinem Pseudonym Ettounsi oder Yahyahouis bekannt war, wurde schon im Jahr 2002 in einem Internetcafé von den Behörden aufgegriffen, inhaftiert und gefoltert [33].

Für Ägypten kann wiederum Ghonim als Beispiel herangezogen werden, der nach Ausbruch der Massenproteste in Ägypten am 28. Januar 2011, dem vorläufigen Höhepunkt der Protestwelle, gegen 1 Uhr morgens in Kairo auf offener Straße vom Regime gekidnappt und verhaftet wurde, was auch innerhalb der internationalen Medienlandschaft, gerade aufgrund seiner Führungsposition bei Google, für Aufsehen sorgte [34]. Das gleiche widerfuhr Alaa Abd El-Fattah, der bereits 2007 inhaftiert wurde, wie Peter Glaser in einem Artikel in der Technology Review (mit dem vielsagenden Untertitel: Wie man den revolutionsfördernden Wert technischer Kommunikationsmittel zugleich über- und unterschätzen kann) berichtet.[35] Glaser schreibt weiter: „Im September desselben Jahres wurde die Tarifstruktur für Internetverbindungen drastisch geändert. Der zuvor unbeschränkte Standard-Tarif wurde begrenzt, die Gebühren stiegen von 20 ägyptischen Pfund auf ein Minimum von 45 Pfund.“[36] Setzt man das mit den Aussagen innerhalb der Interviews über ein Durchschnittseinkommen eines ungelernten Arbeiters in Korrelation, ergibt sich ein weiteres Indiz dafür, dass die „Digitale Revolution“ nicht von einer breiten Masse getragen wurde, da sich diese gar keinen Internetzugang leisten konnte. Gleichszeitig steht dies in Widerspruch zu der Aussage Noha Atefs [37], die Internetverbindung in Ägypten sei sehr günstig. Noha Atef gehört indes selbst zur über Blogs publizierenden Exil-Elite ihres Landes.

Die aufgeführten Vorkommnisse sollen im hier vorliegenden Zusammenhang noch einmal verdeutlichen, dass a) die Geschichte und der Einsatz sozialer Medien in Ägypten wie in der gesamten arabischen Welt weitaus älter ist, als es zunächst den Anschein hatte, b) die sozialen Medien zuvorderst von einer kleinen elitären Gruppe genutzt wurden und c) die Regimes das Potential der sozialen Medien als Mittel gegen ihre Herrschaft längst erkannt hatten und nicht etwa von diesen überrumpelt wurden.

Klimafaktor: Existierende Opposition offline

Eine „Digitale Opposition“ hatte sich also in den der Revolutionen vorangehenden Dekade längst ausgebildet. Ähnliches gilt für eine Protestkultur auf der Straße. So führt Noha Atef an, dass allein zwischen April 2009 und Mai 2010 eine Vielzahl an Mikrorevolutionen vorausgingen und nennt insgesamt 169 Sit-ins, 112 Streiks, 87 Demonstrationen und 63 Protestmärsche [38], noch bevor die Aufstände in allen großen Städten des Landes ausbrachen und ihren ersten Höhepunkt am 28. Januar 2011, dem sog. Friday of Anger, fanden, der weltweit eine hohe mediale Aufmerksamkeit genoss. Bereits 2008 sollen im Zusammenhang eines israelischen Angriffs auf den Gazastreifen über 2.000 Menschen auf den Straßen Kairos protestiert haben.[39] Oder etwa im selben Jahr, als in der nördlich von Kairo gelegenen Stadt Mahalla al-Kubra am 6. April anscheinend tausende Demonstranten sich Straßenschlachten mit den örtlichen Sicherheitsbehörden lieferten; als Gründe wurden extreme Lohnungerechtigkeit und Lebensmittelknappheit angeführt.[40] In Anlehnung an diesen Vorfall wurde versucht, das soziale Netzwerk Facebook für die Organisation von Protesten zu instrumentalisieren. Über eine Facebook-Gruppe soll gezielt zu landesweiten Streiks aufgerufen worden sein, allerdings ohne weitreichende Folgen.[41] Die Initiatoren der Facebook-Gruppe begannen schon 2005 damit, sich zu organisieren, in dem sie die Gruppe „Youth for Change“ aufbauten. Später im Zuge der Revolution taten sich diese wohl mit Wael Ghonim zusammen, um gemeinsam zu operieren.[42] Eine On- wie Offline-Opposition hatte sich also längst ausgeformt, wie auch die Sozialwissenschaftlerin Zeynep Tufekci konstatiert: „Diese neuen, technischen Möglichkeiten erzeugen keine Opposition. Die Opposition war immer da. Aber sie haben den Unzufriedenen ermöglicht, sich auf eine neue Art und Weise zu organisieren.“[43]

Klimafaktor: Al-Jazeera

Im Unternehmensprofil von Al Jazeera English heißt es, dass man sich der Mission verschrieben habe, eine internationale Zuschauerschaft mit unabhängigen, objektiven Nachrichten zu versorgen und eine Vielfalt an Perspektiven aus Ländern anzubieten, aus denen kaum berichtet wird. Man ziele darauf ab, den Informationsfluss zwischen Süd und Nord auszugleichen. Al Jazeera habe Zugang zu den am heftigsten umkämpften Krisengebieten in Afrika und dem Mittleren Osten.[44]

Das Telekommunikationsnetzwerk von Al Jazeera, das sich maßgeblich auf Satelliten-TV stützt, besitzt insgesamt 65 Büros weltweit und 3.000 Mitarbeiter, zu denen mehr als 400 Journalisten aus über 60 Ländern zählen. Al Jazeera English erreicht 220 Millionen Haushalte in 100 Ländern.[45] Dem Kanal gehören allein über 1.000 Mitarbeiter aus mehr als 50 verschiedenen Nationen an. Es wird 24 Stunden am Tag gesendet, sieben Tage die Woche, online verfügbar unter http://www.livestation.com/aljazeera-english.

Die Zielgruppe von Al Jazeera in der arabischen Welt sind Männer im Alter von dreißig Jahren oder älter. Insgesamt sind 81 % aller Zuschauer 30 oder älter, 79 % männlich, ebenfalls 79 % verheiratet, 66 % Angestellte, 70 % haben einen Schulabschluss oder eine höherwertige Ausbildung genossen.[46]

Al Jazeera ist die wichtigste traditionelle Medieninstitution in den autokratisch regierten Ländern Nordafrikas zur Erlangung von Informationen, die zuvor keiner staatlichen Zensur unterworfen werden. Nach eigener Aussage folgt der Sender den journalistischen Werten „of honesty, courage, fairness, balance, independence, credibility and diversity, giving no priority to commercial or political over professional consideration“[47]. Aufgrund der enormen Reichweite des Senders in der arabischen Welt und des weltweiten Netzwerks, das hinsichtlich des Informationsflusses wiederum mit den großen westlichen Medienanstalten verknüpft ist, kann die Rolle, die Al Jazeera im Zuge der tunesischen und ägyptischen Revolution gespielt hat, als hoch eingeschätzt werden, zumal der Sender schon lange vor Ausbruch der Revolutionen eine bereits ausgebaute Infrastruktur bot, die die Geschehnisse zu jeder Zeit einer breiteren arabischen Öffentlichkeit nahe bringen konnte.[48] Selbst die aufgrund von Armut von Technologie ausgeschlossenen Teile der ägyptischen Bevölkerung konnten somit mit alternativen Informationen versorgt werden, in der Form, dass Berichte von Al Jazeera durch Mundpropaganda weitergegeben wurden.[49] Die wesentliche Voraussetzung bestand in einer technologischen Veränderung, nämlich der Entwicklung von Satelliten-TV, die einen Wendepunkt in der Informationsverteilung beschreibt und die die Beziehung der arabischen Bevölkerung zum Staatsfernsehen grundlegend veränderte.[50] Al Jazeera hat sich darüber hinaus die Verteilungslogiken von Online-Medien und sozialen Netzwerken schon früh zu Nutze gemacht. Der englische YouTube-Kanal wurde bereits 2007 aufgebaut, mittlerweile sind eine Vielzahl an Netzwerken erschlossen worden: Allein die Twitter-Accounts von Al Jazeera English (https://twitter.com/ajenglish) und Al Jazeera Arabic (https://twitter.com/ajarabic) sind hoch aktiv und haben knapp 870.000 bzw. über 940.000 Follower. Auf der arabischen [51] und der englischen [52] Facebook-Seite sind jeweils über 1.970.000 bzw. 960.000 Nutzer angegeben. Integraler Bestandteil der englischen Website sind länderbezogene Live-Blogs [53], auf denen durchgängig berichtet wird, Facebook wie Twitter sind auf der Hauptseite eingebunden, auch neuere Tools wie Storify [54] wurden bereits im Zuge der ägyptischen Revolution zur Informationsaufbereitung und -weitergabe genutzt.

Klimafaktoren: Zusammenfassung

  • Bestehende IT-Infrastruktur
  • Bestehende Kommunikationsinfrastruktur samt Vernetzung im arabischen Raum und global
  • Etabliertes Satellitennetzwerk mit hoher Reichweite
  • Ansiedlung ausländischer Firmen (samt Wertevorstellungen und Austausch)
  • Kompensation im Virtuellen innerhalb einer erzwungen politisch desolaten Jugend
  • Technisches Know-how, Mehrsprachlichkeit und Kampagnen-Wissen einer zum Regime-Widerstand neigenden Elite
  • Vernetzung mit gut situierten Exil-Ägyptern, die ihrerseits mit Journalisten großer westlicher Medienhäuser vernetzt sind
  • Armut, politische Unterdrückung, Korruption, schwindendes Vertrauen in die staatlichen Medienangebote, staatliche Willkür, Menschenrechtsverletzungen
  • Vorhandene revolutionäre Energien verschiedener Bevölkerungsschichten
  • Vorausgehende Straßenproteste

Input-Funktion: Die Macht der Bilder – Die Selbstverbrennung des Mohamed Bouazizi und die tunesische Revolution als Kampagne

Die der ägyptischen vorangegangene Revolution in Tunesien, die zur Flucht des regierenden Staatsoberhauptes Zine el-Abidine Ben Ali am 14.01.2011 führte, ist als ein weiterer wesentlicher Faktor für den Ausbruch der ägyptischen Revolution zu nennen. Oft wurde hier von einem Domino-Effekt gesprochen. Als Auslöser für die Unruhen in Tunesien, die dann in der tunesischen Revolution mündeten, wird immer wieder auf die Geschichte des Gemüse- bzw. Obsthändlers Mohamed Bouazizi verwiesen, der sich am 17. Dezember 2010 aus Protest gegen das herrschende Regime in Sidi Bouzid selbst verbrannt haben soll. In diesem Zusammenhang stößt man auf internationale Schlagzeilen wie „Held der tunesischen Revolution“[55], „Bouazizi: The Man Who Set Himself and Tunisia on Fire“[56], „Mohammed Bouazizi: the dutiful son whose death changed Tunisia’s fate“[57] oder „In Tunisia, act of one fruit vendor unleashes wave of revolution through Arab world“[58].

Die Geschichte um Bouazizi Selbstverbrennung enthält folgende Elemente: Er soll ein arbeitsloser Akademiker gewesen sein, der seine sechsköpfige Familie mit dem Verkauf von Obst und Gemüse durchgebracht hat. Am Tag seines Suizids soll durch die örtliche Polizei aufgrund einer fehlenden Genehmigung seine Ware samt Waage beschlagnahmt worden sein. Alle Versuche, sich bei der Stadtverwaltung zu beschweren, sollen erfolglos geblieben sein. Es heißt, eine Polizistin habe ihn sogar geohrfeigt, was einer schweren Demütigung in diesem Kulturraum gleichkommt. Aus Protest gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit und die Ungerechtigkeit des Regimes habe er sich anschließend mit Benzin übergossen und angezündet. Diese Tat wurde als politisch motiviert dargestellt und löste eine Protestwelle in Tunesien aus, die anschließend zum Sturz des Regimes führte – soweit die Geschichte. Dass seine Selbstverbrennung als einer der wesentlichen Auslöser der tunesischen Revolution gilt, scheint unbestritten. Posthum wurde er sogar mit dem Sacharow-Preis für Meinungsfreiheit des Europaparlaments ausgezeichnet.[59]

Man stößt hier auf eine Reihe von Merkmalen, die eine Mystifikation Bouzizis zum Märtyrer begünstigen: Hochgebildet, ohne Eigenverschuldung in Armut geraten, systematischer Ungerechtigkeit und der Willkür durch die lokalen Autoritäten ausgesetzt, daraus folgend der Entzug der Lebensgrundlage der gesamten Familie, Demütigung, Hoffnungslosigkeit sowie eine Charakterisierung seiner Person als ein sich für die Seinen aufopfernder, rechtschaffender, hart arbeitender Mann. Die mythische Opfersymbolik der Selbstentzündung als konsequenter Höhepunkt einer desolaten, fatalen Lebenssituation haucht der ohnehin hochdramatischen Geschichte den nötigen Geist des Martyriums ein. Womit man es hier in erster Linie zu tun hat, ist die Stilisierung eines Vorkommnisses zu einer Form der maximal verdichteten Geschichte mit hohem Schockgehalt, die sich hervorragend zur Instrumentalisierung für revolutionäre Zwecke im Sinne der Viralisierung eignet, da diese fortan exemplarisch für die ganze Unmenschlichkeit und Grausamkeit des Systems steht, gegen das es aufzubegehren gilt. In seiner Monografie „verheimlicht – vertuscht – vergessen“ (Das andere Jahrbuch 2012) greift Gerhard Wisnewski die Geschichte um Bouazizi auf und nennt diese eine reine Medienschöpfung.[60] Dabei zitiert einen tunesischen Gewerkschaftsangehörigen, der gegenüber der französischen Tageszeitung Libération ausgesagt haben soll, dass die Geschichte bewusst und zielgruppengerecht entworfen wurde; Die Facette des Akademikers zielte auf das tunesische Bildungsbürgertum und jene der Erniedrigung durch eine Frau (Schlag ins Gesicht) auf die Landbevölkerung, um beide Gruppen zu Protesten zu motivieren.

Der Schweizer Journalist Mathieu von Rohr setzt sich seinerseits mit dem Vorfall um Bouazizi auseinander [61] und führt an, dass zwar die meisten Bewohner von Sidi Bouzid davon hörten, wie eine Beamtin dem Gemüseverkäufer eine Ohrfeige gegeben habe, sich hingegen aber niemand fand, der dies auch selbst gesehen haben soll. Ein anderer Obstverkäufer, der den Vorgang beobachtet haben will, sagte gegenüber GlobalPost aus, dass Bouazizi nicht geschlagen wurde.[62] In dem Artikel von Rohrs (Wisnewski nennt diesen ebenfalls) wird Bouazizi als nicht im Mindesten politisch motiviert dargestellt. Auch wird hier die Frage aufgeworfen, ob die Selbstverbrennung nicht vielmehr ein Unfall war. Des Weiteren lässt Mathieu von Rohr den Bruder Bouazizis zu Wort kommen, der sagt, dass die Revolution auf einer Lüge gegründet sei. Er verweist seinerseits auf Mohameds Vetter Ali Bouazizi, der, als er die Nachricht von der Selbstverbrennung vernahm, sich eiligst zum Ort des Geschehens aufgemacht und ein kurzes Video mit seinem Mobiltelefon gedreht haben soll, das zeigt, wie „Mohameds verkohlter Leib in den Krankenwagen gezerrt wurde“[63]. Hier heißt es weiter: „Bis zum Abend filmte er die protestierenden Jugendlichen auf der Straße. Ein Freund schnitt das Video, unterlegte es mit melancholischer Musik und stellte es bei Facebook ein. Ali rief bei al-Dschasira an, und noch am selben Abend strahlte der Sender die Bilder aus. Ali Bouazizi war am Telefon zugeschaltet, er sprach unter seinem richtigen Namen.“ [64] Auch er soll beteuert haben, dass Mohamed von der Polizei geschlagen wurde und überdies Akademiker sei. Letzteres entlarvt von Rohe als Mär, Bouazizi soll nicht einmal das Abitur geschafft haben. Beide wesentlichen Faktoren, die Ohrfeige und der Akademikerstatus scheinen also Fiktion. Die Geschichte um Bouzizi enthält noch eine Vielzahl weiterer Facetten, wie die widersprüchlichen Aussagen der Mutter, die zunächst von einem Unfall sprach und darauf verwies, dass die ganze Familie völlig unpolitisch sei [65], später dann aber Interviews in ausschweifender Revolutionsprosa gegeben haben soll [66]. Oder die Nebengeschichte eines Bouazizi fälschlicherweise zugerechneten Facebook-Kontos mit Revolutionstexten, eine pure Koinzidenz, das Konto soll in Wahrheit einem Namensvetter gehört haben.[67]

Was für den Zusammenhang jedoch von fundamentalem Interesse ist, ist die Mechanik der Mythensetzung, scheinbar angestoßen durch Bouazizis Vetter. Die Bilder des verkohlten Leibes werden mit Bildern protestierender Jugendlicher verschnitten, eine hinzugefügte Soundkulisse sorgt für zusätzliche Emotionalisierung: Die perfekte Revolutionsmontage. Das „Dokument“ wird samt der Falschaussagen bei Facebook eingestellt. Zusätzlich wird Al Jazeera als reichweitenstarkes Medium kontaktiert und inklusive protestschürender Behauptungen auf das Video hingewiesen. Al Jazeera strahlt das Video aus und sorgt für Breitenwirksamkeit. Nun erscheinen das Video und damit die Geschichte der Selbstverbrennung aus Protest gegen das Regime journalistisch verbrieft. Die von Al Jazeera gesendeten Aufnahmen werden wiederum gezielt in sozialen Netzwerken veröffentlicht. Die internationale Presse springt auf das Thema an und eine weltweite Mediendurchdringung folgt: Ein medienwirksamer Mythos ist geboren, noch bevor selbiger durch kritische Hinterfragung erschüttert werden kann. Auch wenn einige Medien ihrer journalistischen Sorgfaltspflicht nachkommen, ist die Geschichte längst viral geworden und sorgt für den nötigen Anschub einer Protestwelle offline. Der Wahrheit, sofern sie überhaupt ergründbar ist, wird zu diesem Zeitpunkt längst kein Stellenwert mehr beigemessen.

Abbildung 3‑12: YouTube – Suicide that sparked a revolution [68]

Auf dem YouTube-Kanal von Al Jazeera English findet sich noch ein Mitschnitt [69], in dem die Mutter Bouazizis anscheinend behauptet, dass die Polizistin ihn erniedrigt haben soll. Im Off-Kommentar, der die Aussagen ins Englische übersetzt, wird diese Erniedrigung dann als Grund der Selbstverbrennung benannt. Zuschauer, die nicht Arabisch sprechen, können die von der Mutter in diesem Video getätigten Aussagen nicht verifizieren. Die Tatsache, dass es sich um Bouazizis Mutter handeln soll, kann nur der Bildunterschrift entnommen werden. Den folgenden, verwackelten Bilder von den noch ausbrennenden Überresten eines Objektes, kann keine Information über Echtheit entnommen werden. Die Deutung für die englischsprachigen Adressaten wird hier allein von Al Jazeera geliefert. Das Video wurde am 19.01.2011 hochgeladen, fünf Tage nachdem das tunesische Staatsoberhaupt aus dem Land floh. Dies soll nochmal exemplarisch verdeutlichen, welch bedeutende Rolle Al Jazeera bei der Mythensetzung um Bouazizi [70] auch im Nachgang der Revolution im In- und Ausland höchstwahrscheinlich eingenommen hat.

Eine in ihrer Funktionsweise äquivalente Geschichte findet sich im Rahmen der ägyptischen Revolution. Am 6. Juni 2010 soll ein ägyptischer, 28-jähriger Blogger namens Khaled Said in Alexandria auf öffentlicher Straße von der örtlichen Polizei zu Tode geprügelt worden sein. Offenbar warf die Polizei nach einem kurzen Umweg über das Polizeirevier die Leiche einfach wieder auf die Straße vor das Internet-Café, in dem der junge Mann von den Polizisten zuvor aufgegriffen wurde. Diversen Medienberichten zur Folge sollen sich in Saids Besitz Videos von Polizisten befunden haben, die selbige in den Zusammenhang mit Drogenhandel bringen.[71] Auch dieser Vorfall entwickelte sich in seinem weiteren Verlauf noch sehr viel komplexer, als es hier besprochen werden kann. Wichtig sind an dieser Stelle abermals die medialen Zusammenhänge. Diesmal handelte es sich nicht um ein Video, das in die sozialen Netzwerke Einzug hielt, sondern um eine äußerst abschreckende Fotografie der Leiche von Said, welche sein zertrümmertes Gesicht und seinen zertrümmerten Schädel zeigt. Die Stilisierung Saids zur Symbolfigur der Revolution nimmt ihren Ausgang scheinbar wieder von einem Familienmitglied. Sein Bruder Ahmed soll auf Facebook besagte Fotos veröffentlicht haben. Kurz darauf gründete Wael Ghonim unter dem Pseudonym El Shaheed [72] (Der Märtyrer) eine arabische Facebook-Seite, deren Titel übersetzt „Wir sind alle Khaled Said“ (http://www.facebook.com/ElShaheeed) bedeutet. Man stößt noch auf eine weitere Internetseite, diesmal unter dem englischen Titel „We are all Khaled Said“ (http://www.facebook.com/elshaheeed.co.uk). In den FAQ’s des mit der englischen Facebook-Seite verknüpften Blogs, ist unter der Frage „Wer bist du“ lediglich von zwei Administratoren die Rede, einer für die arabische und einer für die englische Facebook-Seite.[73] Hier ist auch die erwähnte Fotografie zu sehen.[74] Der erste Artikel dieser Seite ist auf den 29. Juni 2010 datiert, was darauf schließen lässt, dass das Blog zeitnah zur Tötung Saids eingerichtet wurde. Die arabische Internetseite diente offenbar zur Aktivierung der inländischen Bevölkerung, die englische um eine internationale Zielgruppe anzusprechen, also zur Transferleistung. Ein Austausch des Administrators der englischen Facebook-Seite mit Ghonim wird hier explizit erwähnt: „I have a lot to talk about, chats and email discussions I had with Wael and many other activists, arranging protests worldwide in support of Egypt [...]“[75]. Der Vorfall um Khaled Said wurde von den internationalen Medien verarbeitet und sorgte weltweit für Entrüstung und Solidaritätsbekundungen. Er wurde zur Symbolfigur der ägyptischen Revolution, wie Mohamed Bouazizi jener der tunesischen wurde. Wael Ghonim wurde von der TIME 2011 zu einem der einflussreichsten Menschen auf der Welt gekürt.[76] Im gleichen Jahr wurde Said mit dem Menschenrechtspreis der Friedrich-Ebert-Stiftung [77] ausgezeichnet und die Facebook-Seite „We are all Khales Said“ erhielt im Zuge der BOBs (Best of Blogs), den Blog Awards der Deutschen Welle, den Jury-Preis für die „Best Social Activism Campaign“[78]. Auch derlei Preisvergaben können als Hinweis darauf gewertet werden, wie die Mythen um sog. Twitter- und Facebook-Revolutionen zustande kommen.

Input-Funktion: Zusammenfassung

  • Instrumentalisierung realer Vorfälle
  • Mediale Inszenierung der Vorfälle konkret auf Adressatengruppen ausgerichtet
  • Komplexitätsreduktion über Bildinhalte
  • Stilisierung der Vorfälle zu starken Symbolen
  • Einbezug einer etablierten Medieninstitution mit breitenwirksamen Distributionskanälen
  • Rückspielung der journalistischen Aufbereitung in soziale Medien
  • Etablierung von Kanälen in bestehenden sozialen Netzwerken
  • Zusammenarbeit mit Nutzern in anderen Ländern, die Schwesternkanäle aufbauen

Tsunami-Funktion und Output: Ein Facebook-Event zur Initialzündung

Am 14. Januar 2011 floh das tunesische Staatsoberhaupt nach vier Wochen heftiger Proteste – die Revolution in Tunesien wird als erfolgreich kommuniziert. Zwischen dem 14. und 24. Januar verbreitet sich ein Aufruf zu Massendemonstrationen über Twitter und Facebook bis schließlich am 25. Januar Zehntausende von Ägyptern auf den Straßen Kairos demonstrieren. Zum Protestaufruf wurde ein sog. Facebook-Event genutzt, bei dem über 90.000 Ägypter für den 25. Januar zugesagt haben sollen.[79] Dieses Facebook-Event wurde über die arabische Version der Fanpage „We are all Khaled Said“ kreiert, initiiert von Wael Ghonim. Die Mitgliedschaft der Gruppe soll zu diesem Zeitpunkt bereits auf 500.000 Mitglieder angewachsen sein.[80] Wael Ghonim sagte gegenüber CNN in einem Interview kurz nach seiner Freilassung, dass im Juni 2010 hunderttausende Ägypter mit „collaborating content“ begonnen hätten [81], also der Erstellung, Weiterverarbeitung und Multiplikation von Inhalten über soziale Netzwerkarchitekturen wie Facebook.

Ein weiteres populäres Beispiel für kollaborative Arbeit ist die Flickr-Gruppe Piggipedia (http://www.flickr.com/groups/piggipedia/pool/). Flickr ist ein US-amerikanischer Image-Hoster, auf dem primär Fotos von einzelnen Nutzern in deren private Accounts eingestellt werden können. Der Dienst verfügt über Community-Elemente, was die Verknüpfung der Nutzer untereinander und kollaborative Arbeit in Gruppen erlaubt, insofern, dass Nutzer ihre Bilder gemeinsam an einer dafür geschaffen Stelle innerhalb des Dienstes publizieren können. Die Intention der Flickr-Gruppe Piggipedia bestand darin, Fotos von Polizisten zu veröffentlichen, die Ägypter gefoltert haben sollen. Bei Recherchen stößt man auf eine Vielzahl ähnlicher Online-Formate, die sich mit Folter beschäftigen und untereinander vernetzt sind. Dabei wird zunächst eine Transparenzstrategie über die Veröffentlichung von Informationen verfolgt, die von staatlicher Seite unterdrückt werden. Über unabhängige Online-Medienformate soll gezeigt werden, dass Folter ein reales Problem darstellt (Information), welche Foltermethoden benutzt werden (Auflistung und Kategorisierung), wie groß die Zahl an Opfern ist (Kollektivierung), wo gefoltert wird (Verortung im Raum) und wann gefoltert wurde (Verortung in der Zeit).

Diese Form der medialen Aufbereitung dient nicht nur der Information und einhergehenden Sensibilisierung für das Thema, sondern auch dem Freisetzen von Energien, dem bewussten Anstacheln zu Protesten. Noha Atef brachte die hier zugrunde liegende Logik in ihrem Vortrag mit folgendem Satz auf den Punkt: „First was to make them angry, then to mobilize them.“[82] Um Bevölkerungsschichten zum Protest zu bewegen, müssen diese emotionalisiert, sprich in Rage versetzt werden. Hierzu ist es wichtig, dass reale Geschehnisse, wie die Selbstverbrennung Bouazizis oder die Tötung Saids in passendem Maße formatiert werden, im Sinne einer medialen Inszenierung.[83] Bilder (Video und Foto) spielen dabei eine größere Rolle als Text, da Bilder vom Betrachter zunächst emotional verarbeitet werden und eine höhere Symbolfunktion einnehmen können. Diese werden mit zusätzlichen Informationen aufgeladen, im Sinne von Codes, die beim Betrachten mitgelesen werden. Die Informationen müssen derart zielgruppengerecht gestaltet sein, dass ihre Lesbarkeit für verschiedene Gruppen erhalten bleibt. Am besten lassen sich mit ein und demselben Symbol mehrere verschiedene Adressatengruppen gleichzeitig aktivieren, wie es bei Bouazizi der Fall war. Geschichten werden im Sinne einer Komplexitätsreduktion maximal verdichtet, medial inszeniert und verfügen über Anschlussstellen zur Identifikation. Der dokumentarische Charakter des Materials ist hierbei entscheidend, da diesem ein hoher Wahrheitsgehalt zugewiesen wird. Dokumentarische Videos schaffen darüber hinaus eine vermeintliche Nähe zum Betrachter, es geht also um eine Überbrückung von Raum. Außerdem sollte das Material von Nutzern selbst erstellt sein, was deren Wahrheitsgehalt zusätzlich verstärkt, da von den staatlich kontrollierten Medien produzierte Inhalte in erster Linie im Sinne staatlicher Propaganda als manipulativ aufgefasst wurden.[84]

Um eine derartige Formatierung der Inhalte zu bewerkstelligen, muss der eigene kulturelle und sozioökonomische Kontext genau analysiert werden, um daraus Ableitungen zu ziehen, die sich für eine Instrumentalisierung eignen. Die Frage lautet: Wie müssen die neuralgischen Punkte einer Geschichte beschaffen sein, damit sie Energien für Offline-Proteste erzeugen können? Das Schema ähnelt sich bei Bouazizi und Said. Bei Bouazizi finden sich die Elemente Polizeiwillkür, Ehrverlust, Jugendarbeitslosigkeit und Bildungsschicht. Zielgruppen, wie oben erwähnt, waren das Bildungsbürgertum und die Landbevölkerung, also Arbeiter, zwei per se voneinander getrennte Gruppen. Im Falle Saids hingegen wird das Identifikationsmodell über die Betonung geschaffen, dass er Blogger war, womit sich die Studentenschaft adressieren lässt. Auch hier stößt man auf staatliche Willkür, nur dass diese in extremen Grad gesteigert war, in dem die willkürliche Brutalität der Polizei direkt zum Tode des jungen Mannes führte. Außerdem soll er sich im Besitz von Beweismittel gegen Beamte befunden haben, was sich mit stattlicher Korruption bzw. illegalem Handeln der Autoritäten verbinden lässt. Der Titel der Facebook-Gruppe „Wir sind alle Khaled Said“ sieht die Etablierung einer kollektiven Struktur vor. Der Titel legt nahe, dass das Schicksal Saids, zu jeder Zeit auch jeden anderen ereilen kann, dass die staatliche Willkür in ihrer extremsten Ausprägung der offenen Brutalität bis zum Tode vor niemandem halt macht. Die Macht der Bilder, deren Schockgehalt, ist von fundamentaler Bedeutung. Die verkohlte Leiche Bouazizis wie der deformierte Schädel Saids stehen fortan symbolisch für die Regimes, in ihnen kulminieren alle Negativwerte, die vorrangig mit den staatlichen System assoziiert werden sollen. Plattformen wie jene der Piggipedia arbeiten mit dem gleichen Mechanismus der Herstellung eines kollektiven Schockmoments durch Bildsprache. Inhärent wird damit ausgesagt, dass du entweder selbst schon gefoltert wurdest oder einen Familienangehörigen, Freund oder Bekannten hast, der schon mal gefoltert wurde. Zumindest hat jeder auf irgendeinem Weg schon davon gehört. Besonders die Demografie ist wichtig: Bouazizi war 26 Jahre alt, Said 28. Wie festgestellt wurde, weist das Durchschnittsalter in Ägypten 24 Jahre, das in Tunesien 27,8 auf. Die Verarbeitung beider Geschehnisse, sowohl Bouazizis Selbstentzündung wie auch die Tötung Saids, haben unmittelbar Offline-Proteste ausgelöst. Die Proteste in Tunesien mündeten direkt in der Revolution. Der Fall Said zog zunächst einen Prozess gegen die Beamten nach sich. Die maßgebliche Folge für die hier vorliegende Betrachtung war allerdings die Etablierung eben jener Facebook-Seite durch Wael Ghonim, verstanden als wesentlicher Knotenpunkt einer Online-Infrastruktur, an dem sich zunächst ein Kollektiv unter einem Symbol online sammeln konnte.

Über solche Knotenpunkte wurde dann auch die Tunesische Revolution einer breiteren Social-Media-Audience bekannt gemacht, später wurde die Fanpage sogar gezielt zu einer Offline-Aktivierung der Nutzer instrumentalisiert. Die Meldung von der Flucht des tunesischen Staatsoberhaupts erhielt allem Anschein nach die Funktion eines Energieschubs, so dass die ersten Aufrufe zu Massendemonstrationen genau auf diesen Tag fallen.

Dies ist nur ein Beispiel für eine Nutzung sozialer Medien innerhalb revolutionärer Umbrüche. Es ist allerdings auch ein Signifikantes. Blogs agieren zunächst dezentral und weisen nicht die zentralistischen Verteilungslogiken eines sozialen Netzwerks wie Facebook auf, das eine Art Netz im Netz darstellt. Die Hürden zur Erstellung, Veröffentlichung und Multiplikation von Inhalten sind extrem niedrig gehalten, die grundsätzlichen Funktionsweisen sind von der Adressatengruppe bereits eingeübt. Hinzu kommt die Instrumentalisierung von Funktionen wie die Erstellung eines Facebook-Events, also die Nutzung von Sub-Programmen in der bestehenden Netzwerkarchitektur. Die Macht der Geschichten wird hier mit den Funktionen eines Netzwerks wie Facebook gekoppelt und dessen Verteilungslogiken effinzient genutzt.

Tsunami-Funktion und Output: Zusammenfassung

  • Analyse der sozioökonomischen, politischen und kulturellen Kontexte
  • Isolierung, Ableitung und Aufbereitung von Kernthemen
  • Aufbereitung der Kernthemen mit möglichst hoher Schockwirkung an Online-Knotenpunkten
  • Bereitstellung möglichst vieler thematischer Schnittstellen für Identifizierung
  • Ausbildung von Kollektivstrukturen an Knotenpunkten durch Identifizierung
  • Gezielte Agitation gegen das bestehende System an diesen Knotenpunkten
  • Nutzung der Knotenpunkte als Katalysatoren
  • Aktivierung zu Offline-Protesten im richtigen Moment (Energiezufuhr durch weitere Ereignisse – Timing)

Es wurden immer wieder Statistiken zu Rate gezogen, um die Rolle sozialer Medien wie Facebook oder Twitter innerhalb des Arabischen Frühlings näher bestimmen zu können. Eine rein quantitative Analyse führt allerdings nicht zu tieferen Einblicken, wie soziale Medien konkret innerhalb der Revolution genutzt wurden. Vorrangig ist immer zu fragen, mit welcher Methode und welchen Werkzeugen (Social-Media-Monitoring-Tools) die Zahlen überhaupt erhoben wurden und wie und in welchem Kontext diese anschließend interpretiert worden sind. Eine Vielzahl privatwirtschaftlicher Unternehmen, deren Leistungsschwerpunkte auf der Analyse von Social Media liegen, haben eigens angefertigte Statistiken veröffentlicht, mit dem Ziel der Eigen-PR. Hier wird der Natur der Sache gemäß singulär betrachtet und der große Einfluss der sozialen Medien im Zuge des Arabischen Frühlings konstatiert, da es sich bei Social Media um das Kerngeschäft derjenigen handelt, die die Zahlen erhoben haben. Der Wahrheitsgehalt solcher Quellen ist kritisch zu bewerten. In Folge verschiedener Erhebungen differieren die Ergebnisse voneinander. Zudem ist eine Erhebung der Zahlen bezogen auf Facebook und Twitter von den Schnittstellen zu eben jenen Diensten abhängig. Die im Folgenden benannten Zahlen sind maßgeblich zwei Forschungsarbeiten entnommen: Miguel A. Garcia: The ‘Cosmoholotech’ Approach: The Impact of Social Media on Real-World Activism and Social Transformation und Fadi Salem, Racha Mourtada: Dubai School of Governance, Arab Social Media Report, Civil Moments: The Impact of Facebook and Twitter.

In der ersten Arbeit wird ein Wachstum von Internetbenutzern von fast 40 % in Ägypten von Januar 2010 bis Januar 2011 benannt, so dass am Vorabend der Revolution 23,5 Millionen Ägypter das Internet benutzten. Gleichzeitig ist die Rede von über 4,6 Millionen ägyptischen Facebook-Nutzern, was einer Durchdringung der Gesamtbevölkerung (hier ausgehend von einer Zahl von über 84 Millionen) von 5,49 % entspricht. Darüber hinaus wird eine demographische Verteilung der Facebook-Nutzer benannt, innerhalb derer die größte Gruppe die 15- bis 29-Jährigen mit einem Anteil von 78 % aller Nutzer darstellen. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt die Studie der Dubai School of Governance (75 % im April 2011). Dort heißt es weiter, dass arabische Jugendliche zwischen 15 und 29 Jahren rund 70 % aller in der Region lebenden Facebook-Nutzer stellen. Es wird ein Wachstum an arabischen Facebook-Nutzern von insgesamt 14,8 Millionen auf 27,7 Millionen in einem Zeitraum von April 2010 bis April 2011 benannt und ein Zuwachs an Facebook-Nutzern in Ägypten von fast 2 Millionen (5. Januar bis 5. April 2011). Der momentane Stand (2. März 2012) zählt laut socialbakers [85] knapp 9,5 Millionen ägyptische Facebook-Nutzer.

Die hier aufgeführten Zahlen lassen zunächst einmal folgende Rückschlüsse zu:

Wenn gerade mal 5,49 % aller Ägypter ein Facebook-Konto kurz vor der Revolution besitzen, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass die überwältigende Mehrheit zu diesem Zeitpunkt nicht auf Facebook aktiv war.

Wenn 78 % der 4,6 Millionen ägyptischen Facebook-User ein Alter zwischen 15 und 29 Jahren haben, also 3.588.000 Ägypter, bedeutet dies, dass Facebook vor allem von jungen Menschen benutzt wurde. Bei einem Altersdurchschnitt der Gesamtbevölkerung von 24 Jahren bedeutet dies aber auch, dass nur eine ganz bestimmte Gruppe von Jugendlichen ein soziales Netzwerk wie Facebook genutzt hat.

Die Zahl der Facebook-Nutzer in Ägypten hat sich im Zuge und besonders im Nachgang der Revolution mehr als verdoppelt.

Die Zahlen geben des Weiteren keine Auskunft darüber, wie und in welcher Frequenz Facebook von wem innerhalb der Revolution genutzt wurde.

Auch können die reinen statistischen Werte keine verlässliche Auskunft darüber geben, wie viele der auf Facebook sich zum Protest bekennenden Nutzer auch tatsächlich auf der Straße demonstriert haben. Singulär betrachtet scheint der Nutzeranteil relativ hoch. In Relation zur Gesamtbevölkerung und den eingangs erwähnten realen Löhnen allerdings (von denen die Internetnutzung generell anhängig war), entpuppt sich die Durchdringung der sozialen Medien als gering und deren Nutzung für ein Gros der Bevölkerung unerschwinglich. Diejenigen aus der Bevölkerungsgruppe der 15- bis 29-Jährigen, die sich die Internetnutzung überhaupt leisten konnten, sind vornehmlich unter den Studenten zu verorten (laut geführter Interviews). Die Massenproteste wurden also in erster Linie von einer kleinen gebildeten Gruppe junger Menschen forciert, die in der Benutzung sozialer Medien bereits geübt war.[86]

Die wichtige Erkenntnis liegt hier in der Feststellung, dass es sich um eine kleine Gruppe eines spezifischen Standes handelte und die Revolution nicht von einer breiten Masse der Bevölkerung durch die Benutzung von sozialen Medien angestoßen wurde. Vielmehr muss bis hierhin festgehalten werden, dass die Instrumentalisierung der sozialen Medien in Kombination mit der zielgruppengerechten medialen Inszenierung realer Geschehnisse durch eine elitäre Gruppierung, eine unterstützende Rolle im Kontext revolutionärer Umbrüche spielen kann, sofern die sozioökonomischen, politischen und kulturellen Bedingungen gegeben sind. Es soll auch nochmal betont werden, dass eine große Anzahl an Nutzern sozialer Netzwerke wie Facebook oder Twitter erst im Zuge der sich bereits vollziehenden Revolution hinzukamen.

Eine Aufarbeitung der Daten bzgl. des #Sidibouzid [87] findet sich auf der Website vom Gilad Lotan (http://giladlotan.com). Sidi Bouzid ist die Stadt, in der sich Mohamed Bouazizi verbrannt hat. Zwischen dem 12. und 19. Januar 2011 macht der Analyst ein Datenset von 170.000 Nachrichten aus, die über den Kurznachrichtendienst Twitter veröffentlicht wurden und den #sidibouzid beinhalten. Von Anfang an wird hier klargestellt, dass dies lediglich jene Daten sind, die über die öffentliche Twitter API zum Zeitpunkt der Erhebung zur Verfügung standen. Die einzelnen Erwähnungen führt er im weiteren Verlauf seiner Analyse auf 40.000 einzelne Nutzer zurück und bemerkt, dass sich alleine zwischen dem 13. und 14. Januar, also bereits in der Vollendungsphase der Tunesischen Revolution (unter der Prämisse, das Ben Alis Flucht diese vollendet hat), sich 12.000 neue Benutzer bei Twitter anmeldeten. Des Weiteren kommt er im Zuge seiner Analyse auf zehn maßgebliche Twitter-Profile, die am #sidibouzid partizipiert haben sollen.

Diese Top 10 wird angeführt von einem Account namens griffinworks_3, von dem allein 1.846 Nachrichten ausgingen, die mit dem #sidibouzid versehen wurden. Der Account wurde erst am 12. Januar 2011 eingerichtet, hatte zum Zeitpunkt der Analyse gerade mal 100 Follower und zwischen dem 15. und 18. Januar nicht mehr als 20 ReTweets zu verzeichnen – d. h., es lag weder eine hohe Aktivität, noch eine große Zielgruppe vor. Das Profil selbst folgte keinem anderen Profil. So kommt Lotan zu dem Schluss, dass es sich um einen Bot, also um ein weitestgehend selbständig operierendes Computerprogramm gehandelt haben muss. Dagegen wird das Twitter-Profil der arabischen Journalistin Dima Khatib benannt, die für Al Jazeera tätig ist und das als extrem aktiv anhand der Anzahl der Follower und Re-Tweets bewertet wird. Darüber hinaus wird noch eine Analyse des sog. Social Graph, der Beziehungen von Usern in Netzwerken untereinander und zu welchen Gruppen diese gehören, angestrebt und visualisiert.

Abbildung 3‑13: The graph below represents Sami Ben Gharbia’s network [88]

Hierzu wird das Profil ifikra (https://twitter.com/#!/ifikra) herangezogen, das dem bekannten tunesischen Blogger Sami Ben Gharbia zugehörig ist. Dieser ist nicht nur Blogger, Menschenrechtsaktivist und Campaigner, sondern auch Mitbegründer des tunesischen Internet-Portals Nawaat (http://nawaat.org/portail/), einer der wichtigsten Online-Plattformen für kritische Berichterstattung, die auch im Zuge der tunesischen Revolution eine wichtige Rolle gespielt hat, als Knotenpunkt für Blogger und Cyber-Aktivisten. Nawaat bedeutet so viel wie „the core“ im Englischen.[89] Außerdem ist er Exilant und Advocacy Director bei Global Voices Online. Dies sei nur nochmal erwähnt, da Gharbia die zu Anfang skizzierten, archetypischen Merkmale der kleinen „Digitalen Elite“ aufweist, die für die „Digitalen Revolutionen“ innerhalb des Arabischen Frühlings eine entscheidende Rolle gespielt hat. In seiner Analyse belegt Lotan, dass Gharbia einen großen Teil der Nachrichten seines Publikums mit dem ägyptischen Journalisten und Multimediaproduzenten Mohamed Abdel Fattah (https://twitter.com/mfatta7/) und Jonatahn Rugman (https://twitter.com/jrug), Korrespondent für Auswärtige Angelegenheiten bei Channel 4 News (News-Abteilung des britischen TV-Senders Channel 4) teilte. Es wird noch auf ein weiteres Profil aufmerksam gemacht, dass auf die Vernetzung mit dem für Al Jazeera als Journalisten tätigen Mohammed S. Kayyali hinweist.

Aus dem bisher Gesagten lässt sich folgendes Schema ableiten. Anscheinend kam es besonders auf einige wenige hervorragend vernetzte Einzelpersonen und Gruppen an, um die bereits vorhandenen revolutionären Energien zu verstärken, zu bündeln und schließlich auf einen Kollektivmoment zugespitzt freizusetzen, nämlich den ersten großen Protesten am 25. Januar. Wie festgestellt wurde, konnte durch soziale Netzwerke nur eine im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung kleine, sehr spezifische Gruppe von Ägyptern erreicht werden, die ohnehin im Gebrauch des Internets im Allgemeinen und sozialer Medien im Speziellen geschult war. Durch die oben erläuterten Mechanismen wurde versucht, eine kritische Masse mittels Organisationsformen durch Kommunikationswerkzeuge im Internet herzustellen. Man könnte diese als Online-Masse bezeichnen, die sich in einem Transformationsprozess hin zu einer Offline-Masse befindet. Der Vorgang gestaltet sich derart, dass an verschiedenen Knotenpunkten im Internet User zusammengebracht werden. Die Kommunikation über soziale Medien fördert die Bildung von Online-Massen an Kontenpunkten wie der Facebook-Gruppe „We are all Khaled Said“, weil sich die einzelnen Individuen zunächst in einem virtuellen Schutzraum wähnen und hier echten, bisher unterdrückten Leidensdruck artikulieren, der wiederum von Anderen gleichen Denkens aufgenommen und verstärkt wird. Die schiere Zahl scheint schon zu bestätigen und Mut zu verleihen, eine Offline-Entsprechung der online kommunizierten Anliegen zu forcieren. Kern dieses Mechanismus ist, dass jeder Einzelne sich einer Anzahl von Menschen vergewissern kann, die mit ihm zusammen Protest artikulieren. Diese Vergewisserung ist enorm wichtig, da erst, wenn sich eine kritische Masse bildet, die Polizeiapparate und Geheimdienste überfordert werden und für die Sicherheit der Einzelnen in höherem Maße garantiert werden kann.[90] Auch wenn dieses Zusammenziehen von Nutzern an verschiedenen Knotenpunkten einen Vorgang der Zentralisierung beschreibt, bleibt die „Protestbewegung“ vorerst dezentral, da an mehreren, voneinander unabhängigen Knotenpunkten Protest organisiert wird, was eine Unterdrückung der Proteste durch ein Regime erschwert. Die nächste Stufe im Sinne der Erzielung eines größtmöglichen Masseneffekts auf der Straße wäre, so viele Nutzer wie möglich dazu zu animieren, sich an einem realen Ort zu versammeln: Das Zusammenziehen der Online-Teilmassen in der Realität. Der erwähnte Schutz durch die Masse, durch eine Vorbildung einer kritischen Masse Online, wird durch digitale Kommunikation verabredet, wie im Fall des Facebook-Events zu den Protesten des 25. Januar. Dass eine Protestbewegung überhaupt zustande kommt, wird durch die vorherige Zusicherung der Teilnahme wahrscheinlicher. Dementsprechend ist die Kernfunktion sozialen Netzwerke hier die Verabredung zu einer kritischen Masse jenseits von Angst und Unterdrückung.[91] Online existiert die Möglichkeit, kritische Massen mit hoher Geschwindigkeit zu organisieren und die Möglichkeit des dialogischen Austauschs, um den Mut aufzubringen, die Online-Masse in eine Offline-Masse zu überführen.

Mit der erfolgreichen Mobilisierung einer kritischen Masse, die ihrem Protest auch physisch Ausdruck verleiht, ist die Betrachtung eines Internet-Tsunamis in erster Linie abgeschlossen.

Allerdings ist es sinnvoll, die Betrachtung noch bis zum 28. Januar, dem sog. „Friday of Anger“, weiterzuführen, da an diesem Datum die Proteste in eine landesweite Massenbewegung umschlugen, die das Regime unter Mubarak zu ersten Eingeständnissen zwang. Mit dem Umschlag der Protestbekundungen von Online auf Offline und der Herstellung einer kritischen Masse auf der Straße, wurden weitere oppositionelle Energien freigesetzt. Signifikant erscheint hier, dass die traditionelle Opposition nur sehr begrenzten Anteil an der Organisation der ersten Proteste teilhatte, was an den traditionellen Mitteln der Organisation gelegen haben mag. Institutionalisierte Gruppen, die sich aufgrund klassischer Verfahren zusammenstellen, scheinen gegenüber den Online-Organisationsformen aufgrund ihrer Langsamkeit im Nachteil.[92]

Durch das ersten Umschlagen von Online- auf Offline-Proteste konnte eine physische Verbindlichkeit hergestellt werden, die weitere, bereits bestehende oppositionelle Energien in sich aufnahm. Außerdem wurde dadurch die nötige Sichtbarkeit und Durchdringung hergestellt, die es braucht, um die von den alternativen Medien ausgeschlossenen Teile der Bevölkerung zu integrieren. Was allerdings auch beobachtet werden konnte, war ein Zulauf von Demonstranten und einer Zunahme der Reichweite des Protestes immer dann, wenn das Regime mit Sanktionen und Repressalien reagierte.

Repressiver Moment

Zu Beginn der ersten Protestwelle am 25. Januar reagierte das Regime mit einem Großaufgebot von bis zu 30.000 Polizei- und Sicherheitskräften, die von Wasserwerfern und Tränengas vehement Gebrauch gemacht haben sollen. In den folgenden Tagen war in den westlichen Medien immer wieder von staatlicher Gewalt gegen die Demonstranten zu hören, lesen und sehen. Im Rahmen der Interviews wurde bestätigt, dass eben dieses brutale Vorgehen immer mehr Menschen zum Protest mobilisiert hat. Auch hier spielte die schon im Fall Bouazizi beschriebene Wechselwirkung der verschiedenen Medien eine große Rolle. Foto- und Videos der Proteste und vor allem der sich ereignenden Polizeibrutalität wurden von einer Vielzahl an Nutzern in sozialen Netzwerken veröffentlicht, ein Prozess, der bereits ritualisiert war, nur dass zum jetzigen Zeitpunkt eine wahre Schwemme des „dokumentarischen“ Materials einsetzte. Jeder dokumentierte Zusammenstoß zwischen dem Regime und den Demonstranten führte der Protestbewegung neue Energie zu. Das Material wurde nun nicht mehr nur von einer „Digitalen Elite“ vervielfältigt. Diese fungierte aber weiterhin als Informationsknotenpunkt zu Exilanten und ausländischen Medienanstalten, die im Rahmen ihrer eigenen Berichterstattung willfährig auf das Material zurückgriffen und ihre eigenen Geschichten darauf aufbauten. Die internationale Presse wurde zu einem der wichtigsten Katalysatoren für die ägyptische Revolution, da ab dem Tag des Zorns die Weltöffentlichkeit rund um die Uhr über die Zustände in Ägypten informiert wurde.[93] Je brutaler das dokumentierte Vorgehen des Staates gegen die eigene Bevölkerung war, desto größer wurde die Wut der Demonstranten und der Druck internationaler Bevölkerungen auf ihre eigenen Regierungen. Die Organisation der Proteste verlief längst nicht mehr allein über das Internet. Hier ist ein Medienmix aus Internetdiensten, Mobiltelefonen [94], Medienanstalten wie Al Jazeera und Mundpropaganda zu nennen, bis hin zu altgedienten Mitteln wie der Kommunikation über Botschaften an Häuserwenden.

Abbildung 3‑14: Botschaften an Häuserwänden [95] [96]

Während die Kommunikation über Mobilfunk und Mundpropaganda vor allem nach innen gerichtet war, übernahmen Al Jazeera und Internetdienste eine Doppelfunktion, eine nach innen und eine nach außen gerichteten Kommunikation. Der Staat reagierte neben der realen Gewalt deshalb vor allem mit einer Quasi-Abschaltung des Internets ab dem 27. Januar [97], in dem die vier größten Internetanbieter Ägyptens ihre Zugänge blockierten. Im gleichen Zuge wurde die Kommunikation über Mobilfunknetze unterbrochen.[98]

Aufgrund der Schlüsselrolle, die Al Jazeera hinsichtlich der Berichterstattung in Ausland, Inland und den weiteren arabischen Raum übernahm, entzog das Regime dem Sender zunächst die Sendelizenz und dessen Redaktion die Arbeitserlaubnis, gefolgt von einer Besetzung der Redaktionsräume in Kairo durch die Armee, bis hin zur Inhaftierung von Mitarbeitern.[99] Besonders die Veröffentlichung von Live-Bilder durch Al Jazeera sollte unterdrückt werden, da diese einen hohen Grad der Emotionalisierung innerhalb und außerhalb Ägyptens bewerkstelligte. Außerdem gab Al Jazeera die Botschaft von den geplanten Massenprotesten an ein Gros der Bevölkerung weiter, die nicht das Internet nutzten oder sich Informationen zur Lage aus erster Hand bedienen konnten. Das Regime Mubarak musste sich gesondert um seine Außenwirkung sorgen, da unkontrollierte Informationen die Stilisierung des Staates als ein durch die Bevölkerung legitimierten Machtapparat untergruben. Hier darf nicht vergessen werden, dass Ägypten offiziell als Demokratie behandelt wurde und es keiner NGO bis zum Ausbruch der Revolution gelang, eine schlüssige Beweisführung gegen die Machenschaften der Regierung zu erbringen.[100]

Al Jazeera reagierte als Reaktion mit einem Aufruf an die ägyptischen Blogger, Informationen direkt an den Sender zu schicken (Vergleiche Interviews). So formte sich eine unmittelbare Kooperation zwischen einer tradierten Publikationsinstanz und Aktivisten auf der Straße aus. Kameraleute von Al Jazeera sollen sich direkt unter die Demonstranten gemischt und über Mobiltelefone Audioberichte von Augenzeugen auf dafür eigens eingerichtete, mehrsprachige Audio-Seiten publiziert haben.[101] Nach der Abschaltung der Internet- und Mobilnetze durch die ägyptische Regierung haben sogar die US-amerikanischen Unternehmen Google und Twitter reagiert.[102] Diese nahmen in Kooperation einen kostenlosen Dienst in Betrieb „Speak To Tweet“ (https://twitter.com/#!/speak2tweet), mit dessen Hilfe per Festnetztelefon eine Audiobotschaft aufgenommen werden konnte, die anschließend auf Twitter per Short-URL veröffentlicht und multipliziert werden konnte. Auch wenn dieser Dienst wohl keine weitreichende Nutzung fand, so findet sich hier doch ein weiteres Indiz für den Umstand, dass selbst wenn ein Land seine Internetanbindung blockiert und die oppositionellen Medienverteiler besetzt, es durch einen Mediensprung gelingen kann, die Berichterstattung weiter aufrechtzuerhalten.[103] Das Regime Mubarak soll ebenfalls versucht haben, über offizielle Facebook-Seiten Fehlinformationen in den sozialen Medien oder die These über die staatlichen TV-Sender zu verbreiten, dass die ägyptische Jugend von ausländischen Institutionen zum Protest angestiftet wurde.[104] Allen vom Regime getätigten Gegenmaßnahmen zum Trotz gewann die Protestbewegung an Zulauf.[105] Jeder Moment der Repression scheint der Bewegung neue Energie zugeführt zu haben. Zahi Alawi bestätigte, dass gerade die Abschaltung des Internets und der Mobiltelefondienste den Zulauf nur verstärkte, da aufgrund dieses Moments der Unterdrückung die breite Öffentlichkeit bemerkt hatte, dass sich eine tiefgreifende Wandlung vollzog.[106]

Der Internet-Blackout in Ägypten begann in der Nacht vom 26. auf den 27. Januar und dauerte sechs Tage. Am 28. Januar, dem sogenannten „Friday of Anger“, zwischen einer und zwei Millionen Ägypter zu landesweiten Demonstrationen zusammen. Am 30. Januar wurde Al Jazeera die Sendeerlaubnis entzogen. Bis zum 4. Februar wuchs die Masse der Demonstrierenden auf eine Zahl von 20 Millionen an. Dies belegt, dass weder eine Abschaltung von Internet und Mobilfunk oder die von anderen alternativen Medienangebote wie Al Jazeera den Prozess der anwachsenden Massendemonstrationen unterbinden konnten. Von Bedeutung ist das Zusammenspiel und die Wechselwirkung verschiedener Medien eben bis zu dem Moment, an dem a) sich eine kritische Masse physisch konstituiert und b) ein kontinuierlicher Prozess der Mundpropaganda etabliert ist, der auch die dem Internet völlig fernen Bevölkerungsschichten zum Protest animiert.

Repressiver Moment: Zusammenfassung

  • Quantitative Analysen sozialer Medien irrelevant
  • Aussagekräftig ist die Art der Beziehungen zwischen Online-Identitäten
  • Lediglich eine kleine, spezifische Gruppe wurde online zu Protesten aktiviert
  • Bildung digitaler Massen an Online-Knotenpunkten
  • Knotenpunkte fungieren als Schutzräume
  • Kernfunktion ist die Herstellung einer kritischen Masse
  • Online-Organisationsformen sind traditionellen Offline-Organisationsformen aufgrund ihrer Geschwindigkeit überlegen
  • Es bedarf einer ständigen Energiezufuhr, um das Massenwachstum anzuregen
  • Momente der Unterdrückung führen der Masse neue Energie zu; die Maßnahmen richten sich gegen ihre Urheber
  • Sobald der Transformationsprozess der Online- in eine Offline-Masse geglückt ist, ist dieser nicht mehr durch die Bekämpfung der verwendeten Technologien umkehrbar
  • Soziale Medien setzten lediglich eine Initialzündung; anschließend tritt ein System der Wechselwirkungen zwischen allen medialen Formen (online und offline) in Kraft.

Outcome: Massendemonstrationen und Regierungsrücktritt

Im weiteren Verlauf der Revolution in Ägypten lässt sich ein Kaskadeneffekt feststellen, dessen maßgebliche Stufen weitere, radikale Repressionsmomente des Regimes und ein kontinuierliches Wachstum der Revolutionsmasse bilden.[107] Nachdem am 28. Januar 2011 bereits an die 2 Millionen Demonstranten an vielen Orten Ägyptens ihrer Wut Ausdruck verliehen, wandte sich Mubarak am 1. Februar mit dem Versprechen an die Nation, nicht noch ein weiteres Mal im Zuge der Präsidentenwahl im September des gleichen Jahres als Präsident zu kandidieren, jedoch bis dahin an der Macht zu bleiben. Tags darauf, am 2. Februar, am gleichen Tag, als der Internet-Bann aufgehoben wurde, kam es zu blutigen Zusammenstößen zwischen Regime-Anhängern und Demonstranten. Dies hatte die unmittelbare Verdopplung der Anzahl an Demonstranten zur Folge, die bis zum 4. Februar auf eine Gesamtzahl von 20 Millionen in ganz Ägypten anwuchs. Am 10. Februar übertrug Mubarak die Regierungsgeschäfte an seinen Vizepräsidenten Omar Suleiman, sein Rücktritt wurde zu diesem Zeitpunkt bereits von General Hassan al Rueini versprochen. Einen Tag später, am 11. Februar verbreitete sich die Nachricht, dass Mubarak und seine Familie Kairo verlassen haben. An diesem Tag sendete Wael Ghonim eine Nachricht per Twitter mit dem Inhalt: Revolution 2.0: Mission Accomplished #Jan25. Der #Jan25 bezieht sich auf die erste, durch Ghonim mithilfe der Facebook-Seite „We are all Khaled Said“ initiierte Massendemonstration am 25. Januar 2011.

Abbildung 3‑15: Revolution 2.0: Mission Accomplished #Jan25 [108]

Noha Atef erwähnte in ihrem Vortrag, dass Social Media in Ägypten vor, während und nach der Revolution benutzt wurde. Die Revolution sei nicht durch Social Media entstanden. Es handle sich lediglich um ein sehr mächtiges Werkzeug. Facebook sei nahezu überall, Revolution nicht. Es käme immer auf die Menschen an. Doch wenn die Menschen wirklich lernen, mit diesen Werkzeugen umzugehen, können sie etwas verändern.

Die Einschätzung, dass der Einsatz sozialer Medien gnadenlos überschätzt wurde, besonders die Rolle sozialer Netzwerke wie Twitter oder Facebook, wurde von den Interviewpartnern, die im Rahmen dieser Studie befragt wurden, einmütig bestätigt (Vegleiche Interviews).[109] Gleichzeitig aber wurde die Rolle der Blogger als zentral für die Revolution benannt. Wichtig hierbei ist zu verstehen, dass es sich nicht nur um Blogger handelt, sondern offenbar um eine kleine elitäre Gruppe, die die technischen Möglichkeiten sozialer Netzwerkarchitekturen erkannt und im Sinne revolutionärer Bestrebungen gekonnt instrumentalisiert haben.[110] Eine Vielzahl komplexer kultureller, politischer und sozioökonomischer Vorbedingungen wie auch das Vorhandensein revolutionärer Energien in Kombination mit einer bereits existierenden Kommunikationslandschaft war nötig, um soziale Medien überhaupt als Werkzeuge für revolutionäre Bestrebungen zu erschließen. Es darf behauptet werden, dass einer der wesentlichen Faktoren für die erfolgreichen Revolutionen in Tunesien und Ägypten der Satelliten-TV-Sender Al Jazeera war.[111] Im Mittelpunkt der hier vorliegenden Fallstudie steht die Macht der Bilder bzw. die Transformation realer Geschehnisse in Medienformate, die nach klassischer Kampagnenlogik funktionieren. Wenn das ägyptische Regime behauptete, dass sich ausländische Institutionen einmischen und die Jugend aufgehetzt werden würde, hatte es damit Recht. Nicht der Zusammenhang von Falschinformation und Wahrheit ist hier entscheidend, sondern von Manipulation und Gegenmanipulation. Die Kraft der inszenierten Botschaft seitens der Revolutionäre fällt mit der Verteilungslogik sozialer Netzwerke zusammen, deren signifikanten Merkmale Geschwindigkeit und Multiplikation sind, die wiederum mit institutionalisierten Medien, die über einer hohe Breitenwirksamkeit verfügen, der Nutzung von Mobiltelefonen und schlichter Mundpropaganda in Wechselwirkung treten.[112]

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[1] vergl. Interview 08

[2] Die hier angeführten Zahlen entstammen dem im Rahmen der Studie geführten Interviews.

[3] vergl. „About 20% of the population is below the poverty line“. In: Attia, Ashraf M.; Aziz, Nergis; Friedman, Barry und Elhusseiny, Mahdy F. 2011: Electronic Commerce Research and Applications, Commentary: The Impact of social networking tools on political change in Egypt’s „Revolution 2.0“. S. 370

[4] vergl. ebd.

[5] vergl. Interview 08

[6] vergl. Garcia, Miguel A. 2011: The ‘Cosmoholotech’ Approach: The Impact of Social Media on Real-World Activism and Social Transformation. London: Richmond University: S. 43 ff.

[7] In Anlehnung an Arab Spring aus dem anglophonen Sprachraum. Hier tauchten äquivalent auch Bezeichnungen wie Arab Spring and Winter, Arab Awakening und Arab Uprisings auf (vergl. Wikipedia: Arab Spring). In Deutschland wurden ebenfalls äquivalente Begriffe wie arabische Revolution, Arabellion oder Proteste in der MENA-Region verwendet. (vergl. Wikipedia: Arabischer Frühling: Bezeichnung).

[8] heise online (Mattke, Sascha und Pollock, John) 2011: Die Technik des Aufstands. (14.02.2012)

[9] SPIEGEL ONLINE (Reinbold, Fabian) 16.09.2010: Mubarak, der vorgeschobene Präsident. (17.02.2012)

[10] vergl. Wikipedia (o. V.) 2012: Liste der auflagenstärksten Zeitungen. (17.02.2012)

[11] SPIEGEL ONLINE (Reinbold, Fabian) 16.09.2010: Mubarak, der vorgeschobene Präsident.

[12] gettyimages (Wong, Alex) 2010: Obama, Mideast Leaders Deliver Statements On Peace. (03.04.2012)

[13] NZZ Online (Bergmann, Kristina) 22.09.2010: Mubarak sieht sich immer gerne vorne. (17.02.2012)

[14] vergl. WaELK (Khalil, Wael) 14.09.2010: Obama. (17.02.2012)

[15] Atef, Noha 2011: Egyptian Social Media Stories. Revolting in the time of New Media. Vortrag auf der re:publica XI in Berlin am 14.04.2011 (21.02.2012)

[16] CNN online (Wedeman, Ben) 17.09.2010: Altered photograph in Egyptian newspaper continues to make waves. (21.02.2012)

[17] vergl. Wikipedia 2012: Wael Ghonim. (2210.12)

[18] ebd.

[19] vergl. Lachenmayer, Jan 2011: The Future of Dubai: Exploring Society, Future Pathways, and Alternatives. S. 6 (21.02.2012)

[20] „Egypt has developed an important IT outsourcing business with young, well educated, high-tech savvy and English-speaking population.“ In: Attia, Aziz, Friedman und Elhusseiny 2011: S. 370

[22] ebd.

[23] vergl. Attia, Ashraf M.; Aziz, Nergis; Friedman, Barry und Elhusseiny, Mahdy F. 2011: S. 370

[24] vergl. Interviews 08 und 21

[25] ebd.

[26] Kölling, Anna 2009: Web 2.0 am Nil: Kooperation mit ägyptischen Bloggern. (27.02.2012)

[27] vergl. Atef 2011

[28] vergl. GlobalVoice: Home. (27.02.2012)

[29] vergl. Interview 21

[30] „The GCC Countries […] primarily prefer to use English on Facebook, most likely of their large English-speaking expatriate population.“ In: Salem, Fadi und Mourtada, Racha 2011: Arab Social Media Report: Civil Moments: The Impact of Facebook and Twitter. Dubai School of Governance: S. 14. (27.02.2012)

[31] vergl. Interview 08

[33] vergl. Heise online (Pany, Thomas) 23.01.2003: In der Hölle. (21.02.2012)

[34] vergl. SPIEGEL ONLINE (Schultz, Stefan) 08.02.2011: “Dann betest du, dass die draußen sich an dich erinnern”. (08.02.2012)

[35] vergl. heise online (Glaser, Peter) 03.11.2011: Der digitale Katalysator. (21.02.2012)

[36] ebd.

[37] vergl. Atef 2011

[38] vergl. ebd.

[39] vergl. Attia, Aziz, Friedman und Elhusseiny 2011: S. 370

[40] vergl. LE MONDE online (Beinin, Joel) 09.05.2008: Hunger und Zorn in Ägypten. (27.02.2012)

[41] „During Spring 2008 protests erupted against food prices in Egypt, with prominent Egyptian bloggers supporting the strikers by launching a Facebook group called the „April 6 Youth Movement“. This group was moderately successful in 2008.“ In: Garcia 2011: S. 45

[42] vergl. The New York Times online (Kirkpatrick, David D. und Sanger, David E.) 13.02.2011: A Tunisian-Egyptian Link That Shook Arab History. (06.03.2012)

[43] heise online (Stieler, Wolfgang) 30.09.2011: “Die Opposition war immer da”. (23.02.2012)

[44] vergl. Al Jazeera (o. A) 2010: About us, Corporate Profile. (08.03.2012)

[45] Eine komplette Liste aller Länder in die Al Jazeera sendet ist hier verfügbar.

[46] vergl. Al Jazeera (o. V.) 2009: MEDIA KIT (08.03.2012) S. 12 – 14

[47] vergl. Al Jazeera (o. A) 2010: About us, Code of Ethics. (08.03.2012)

[48] „Media outlets such as Al-Jazeera played an important role in bringing the Tunisian and Egyptian stories to the broader Arab public, depicting them as a dramatic new chapter in the struggle for change that had been the centrepiece of the network’s agenda.“ In: Garcia 2011: S. 42

[49] vergl. Interviews 08 und 21

[50] ebd.

[51] Facebook 2012: Al Jazeera Channel. (08.03.2012)

[52] Facebook 2012: Al Jazeera English. (08.03.2012)

[53] ebd.

[54] Storify ist ein Online-Dienst, auf dem Inhalte, die zuvor in verschiedenen sozialen Medien publiziert wurden, thematisch gebündelt werden können. Hierbei geht es nicht um Inhaltserstellung, sondern darum, Inhalte zu kuratieren. Siehe auch: Al Jazeera (o. V.) 29.01.2011: Egypt’s protests in social media. (08.03.2012)

[55] NZZ Online (Stauffer, Beat) 23.01.2011: Held der tunesischen Revolution. (23.02.2012)

[56] TIME online (Abouzeid, Rania) 21.01.2011: Bouazizi: The Man Who Set Himself and Tunisia on Fire. (23.02.2012)

[57] The Guarian (Beaumont, Peter) 20.01.2011: Mohammed Bouazizi: the dutiful son whose death changed Tunisia’s fate. (23.02.2012)

[58] The Washington online (Fisher, Marc) 27.03.2011: In: Tunisia, act of one fruit vendor unleashes wave of revolution through Arab world. (23.02.2012)

[59] vergl. ZEIT ONLINE (o. V.) 27.10.2011: Sacharow-Preis für arabische Aktivisten. (23.02.2012)

[60] vergl. Wisnewski, Gerhard 2012: Das andere Jahrbuch 2012: verheimlicht vertuscht vergessen. Was 2011 nicht in der Zeitung stand. München: Knaur Verlag: S. 15 – 23

[61] vergl. DER SPIEGEL (Rohr, Mathieu von) 14.03.2011: Mohammeds Früchte. (23.02.2012)

[62] „‘He was never slapped,‘ said Monji Arabi, a fruit vendor who worked alongside Bouazizi and claimed to be present at the time.“ In: globalpost (Jensen, Jon) 16.05.2011: The making of a martyr: truth or legend? (23.02.2012)

[63] ebd.

[64] ebd.

[65] vergl. SPIEGEL ONLINE (Putz, Ulrike) 23.01.2011: Was vor Mohammeds Martyrium geschah. (23.02.2012)

[66] vergl. Wisnewski 2012: S. 22

[67] vergl. Wisnewski 2012: S. 20 – 21

[68] vergl. YouTube (AlJazeeraEnglish) 19.01.2011: Suicide that sparked a revolution (27.02.2012)

[69] vergl. ebd.

[70] „Al Jazeera began showing the grainy cellphone videos on its broadcasts, as part of what the station sympathetically labeled „the Sidi Bouzid Uprising“ after the town where a young man started it all by setting himself on fire on Dec. 17.“ In: The New York Times online (Kirkpatrick, David D. und Worth, Robert F.) 27.01.2011: Seizing a Moment, Al Jazeera Galvanizes Arab Frustration. (08.03.2012)

[71] vergl. ZEIT ONLINE (Gehlen, Martin) 17.06.2010: „Hört auf, der Mann stirbt”. (27.02.2012)

[72] Ghonim wollte sich mit der Verwendung eines Pseudonyms vor der Verfolgung durch das Regime schützen. Dass er sich aufgrund seiner Aktivitäten einer konkreten Bedrohung ausgesetzt fühlte, bestätigte sich tatsächlich mit seiner Inhaftierung durch das Regime wie weiter oben bereits erwähnt wurde.

[73] vergl. We are all Khaled Said 2012: faq. (27.02.2012)

[75] vergl. We are all Khaled Said 2012: The story of „We are all Khaled Said“ English Facebook Page (1 of ..?) (27.02.2012)

[76] vergl. TIME Specials (ElBaradei, Mohamed) 21.04.2011: The 2011 TIME 100: Wael Ghonim. (27.02.2012)

[77] vergl. Friedrich-Ebert-Stiftung 2011: Menschenrechtspreis 2011: Slim Amamou, Tunesien und Khaled Said (1982-2010), Ägypten. (27.02.2012)

[78] vergl. Deutsche Welle (o. V.) 2012: The BOBs: History. Gewinner 2011. (27.02.2012)

[79] vergl. Attia, Aziz, Friedman, Elhusseiny 2011: S. 371

[80] vergl. Keit, Echo 2012: We Are All Khaled Said: Revolution and the Role of Social Media. S. 18 (01.03.2012)

[81] vergl. ebd.

[82] Atef 2011

[83] „We should have our eyes open to capture any event that could be the start of the end of any dictator in the Arab world.“ In: The New York Times online 27.01.2011: Seizing a Moment

[84] „During the Egyptian revolution, users of online social networks such as Facebook and Twitter stopped believing the government. Instead, they trusted the messages and information they obtained from these tools, and their widespread popularity reinforced these sentiments“. In: Attia, Aziz, Friedman, Elhusseiny 2011: S. 372

[85] vergl. socialbakers (o. V.) 2012: Egypt Facebook Statistics. (02.03.2012)

[86] „They were the group that was actively using social media in the days leading up to the mass protests, while other groups such as the older generations were afraid and waiting to see if the youth efforts were successful.“ In: Garcia 2011: S. 48.

[87] vergl. Gilad Lotan 24.01.2011: #Sidibouzid Twitter Hashtag: an analysis of the people spreading the news. (02.03.2012)

[88] Gilad Lotan 24.01.2011: #Sidibouzid

[90] vergl. Interview 01

[91] ebd.

[92] vergl. Interview 01

[93] „It wasn’t until the police began to use violence to disperse the protesters, and individuals used social media sites like Facebook and YouTube to broadcast the brutality, that the world began to react“. In: Garcia 2011: S. 42 – 43

[94] „By going past the mainstream media, mobile phone users became the main broadcasters- each user could receive and transmit news, therefore, becoming a node in a large network of communication that the state found increasingly difficult to monitor and impossible to control.“ In: ebd.: S. 39

[97] vergl. The Huffington Post (Smith, Catherine) 28.01.0211: Graph Visualizes Egypt’s Internet Blackout (PICTURE). (06.03.2012)

[98] vergl. Al Jazeera (o. V.) 01.02.2011: Total internet blackout in Egypt. (06.03.2012)

[99] vergl. SPIEGEL ONLINE (Patalong, Frank) 31.01.2011: Abgeschalteter Sender: Al-Dschasira bittet Blogger um Hilfe. (06.03.2012)

[100] vergl. Interviews 08 und 21

[101] vergl. Al Jazeera (o. V.) 30.01.2011: Live Messages from Egypt.

[102] vergl. DER WESTEN (Scheib, Katrin) 01.02.2011: Twitter und Google machen Ägyptens Proteste hörbar. (06.03.2012)

[103] „Even after the Internet blackout in Egypt, the youth continued to demonstrate and protest, and their numbers increased. Egyptians managed to have their voices be heard through advanced technical workarounds and old traditional technologies, including word-of-mouth and phones.“ In: Attia, Aziz, Friedmann, Elhusseiny 2011: S. 370

[104] vergl. Atef 2011

[105] „Additionally, once social media’s ‘supporting role’ was met by organizing and promoting the striking force, there was little the government could do to stop the organized striking force from influencing the other groups which did not use the Internet at all; the damage had already been done.“ In: Garcia 2011: S. 49

[106] vergl. Interview 08

[107] vergl. nachfolgende Daten und Zahlen mit Attia; Aziz; Friedman und Elhusseiny 2011: S. 371

[108] twitter 10.02.2011: Ghonim, Wael. Revolution 2.0: Mission Accomplished #Jan25 (09.03.2012)

[109] vergl. u. a. Interviews 01, 02, 08, 19, 34.

[110] „You do not need to have a huge percentage of social media, or even Internet penetration, in order to organize real-world activism. What is needed is a small and vigorous group of connectors, mavens, salesmen, and ‘cultural creatives’ who know three things: what to spread, how to spread it, and who to spread it to.“ In: Garcia 2011: S. 49.

[111] „‚Die Rolle von al Dschasira ist entscheidend‘, sagt Asiem El Difraoui, Ägypten-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. ‚Jeder ägyptische Mittelschichtshaushalt guckt den Sender. Er ist die Stimme der Information im arabischen Raum.‘„ In: stern.de (Güßgen, Florian) 02.02.2011: And the winner is … al Dschasira.(09.03.2012)

Abbildung 4‑15: Revolution 2.0: Mission Accomplished #Jan25 [108]

[112] „Vor allem die symbiotische Vernetzung traditionellerer und neuer Medien war für die Umbrüche entscheidend. Das Zusammenspiel von TV, Internet und Mobiltelefonen veränderte die politische Kommunikation grundlegend und machte somit die Umstürze erst möglich.“ In: Bundeszentrale für politische Bildung (El Difraoui, Asiem) 03.11.2011: Die Rolle der neuen Medien im Arabischen Frühling. (09.03.2012)